In der U-Bahn hält es mich heute nicht lange. Die Sonne scheint. Ich möchte den Tag draußen genießen. Während man spaziert, hab ich festgestellt, hat man nur ein bis zwei Sekunden Zeit, um Wörter, oft sogar nur Silben, der anderen vorbei flanierenden Menschen zu erhaschen. Nicht genug also, um über Melodie und Laute die gesuchte Sprache meiner Message zu erkennen. Als mir das bewusst wird, stehe ich gerade mitten auf dem Schwedenplatz. Wie und warum ich genau hierher gekommen bin, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Normalerweise mag ich diesen Platz nicht sonderlich. Jetzt, wo ich schon mal hier bin, setze ich mich auf eine Bank und versuche zu verstehen, wie dieser Ort funktioniert. Nach einer Weile schließe ich die Augen. Ich will mich wieder auf’s Hören konzentrieren. Straßenbahnen, Autolärm, Kindergeschrei. Erst furchtbar laut, aber je länger ich hier sitze, desto mehr filtert mein Gehirn den Lärm, steuert den Pegel. Bekannte Sprachen kann ich ausmachen. Da gibt es Gespräche über den Arbeitstag auf Deutsch, über enttäuschende Flirts in Englisch, und mehrmals Unterhaltungen über die Lieblingseissorte, einmal davon in einem sehr charmanten Italienisch, welches definitiv nicht in Trieste oder der Region Veneto gesprochen wird, woher ein Teil meiner Familie kommt. Ich würde auf Neapel tippen. Wie dem auch sei, nichts von alledem klingt wie meine Nachricht. Nach einer Weile hab ich mich so sehr an die Geräuschkulisse gewöhnt, dass mich mehr und mehr die Geruchsarchitektur ablenkt. Happy Noodles und Hotdog-Buden tauchen den Ort in eine Melange aus Bratenfett, vermischt mit Nuancen aus Zigarettenrauch, Energydrinks, diversen Parfüms und Schweiß. Plötzlich reißt es mich aus meinen Gedanken. Ein junger Mann, der direkt neben mir sitzt, nimmt eine Sprachnachricht auf. Ich bin aufgeregt, denn die Sprache ist mir nicht vertraut. Nach seiner dritten Audiomessage spreche ich ihn an. Es ist Griechisch. Seine Muttersprache. Er lebe schon seit Jahren in Wien, warte gerade auf einen Freund, der wieder einmal zu spät ist, erzählt er mir. Die Sprache meiner Nachricht kennt er leider nicht. Ich wiederhole die Nachricht mehrmals, in der Hoffnung, er würde doch eine Idee haben. Er hört mir zu, schüttelt den Kopf. Beim Klang dieser Sprache müsse er an Südasien denken. Mehr könne er auch nicht sagen. Seine Begleitung kommt an. Ich höre wieder Griechisch und ein „Good luck man“, welches an mich gerichtet ist. Ich lächele zurück und mach mich auf den Weg. Die vielen Gerüche haben mich hungrig gemacht.