Elf Uhr morgens. Es ist sommerlich heiß. Ich sitze am Tisch, wische mir über die Stirn. Heute möchte ich endlich meine Steuererklärung machen. Wie jedes Jahr habe ich es erneut geschafft, diese unliebsame Aufgabe monatelang vor mir herzuschieben. In zwei Tagen ist Abgabefrist. Ich habe noch keine einzige Zahl eingetragen. Dafür aber: Wäsche gewaschen, Müll entsorgt, Badezimmer geputzt. Gar nicht mal so unproduktiv für einen Montag, lobe ich mich selbst. Als mein Blick wieder zu meinem chaotischen Papierberg wandert, ärgere ich mich über meine eigenen Ablenkungsmanöver. Das Telefon klingelt. Erlösung naht. Eine Freundin fragt, ob ich auch spontan zum Schwimmen vorbeikommen möchte. Sie war schon eine Runde im Wasser. Noch bevor wir das kurze Gespräch beendet haben, hab ich den Laptop bereits zugeklappt, packe geschwind meine Sachen und steige auf’s Rad. Bis zum Stadionbad dauert es von mir aus nur gute 15 Minuten. Während ich mich auf dem Weg zur Prater Hauptallee durch ein Wirrwarr aus Menschen, Autos und Hunden schlängle, denke ich über The Message nach. Beinahe wäre ich soeben auf der kleinen Fußgängerbrücke mit einer mir auf einem Segway entgegenkommenden Person zusammengestoßen. Ich versuche für einen Moment, mich besser auf den Verkehr zu fokussieren, grübel aber dann doch über meine Aufgabe weiter. In den letzten Tagen habe ich zwar einige Leute befragt, doch niemand konnte mir neue Hinweise geben. Bereits von weitem kann ich die lange Schlange am Eingang zum Freibad ausmachen. Gut, dass ich eine Saisonkarte besitze und mir das lange Warten damit erspart bleibt, freue ich mich, bemerke dann aber, dass alle Fahrradabstellplätze belegt sind. Ich suche nach einen alternativen Absperrort und entdecke ein einbetoniertes Absperrgitter, welches die parkenden Autos vom Fußweg trennt. Zwei junge Frauen haben in diesem Moment dieselbe Idee. Zu dritt stehen wir nun mit unseren Fahrrädern vor diesem kleinen Eisengestänge. Wir fangen an zu lachen. Ob wir es schaffen, alle drei Räder anzuketten? „That’s like Tetris for Bikes“ scherzen wir. Nach ein wenig hin und her klickt auch das letzte Schloss. Jetzt ist ein guter Moment für die Nachricht, schießt es mir durch den Kopf. „Mich erinnert das an Dari“ sagt eine der Beiden. Meinem fragenden Gesichtsausdruck kann sie wohl sofort entnehmen, dass ich von Dari noch nie etwas gehört habe. Sie schmunzelt kurz. Das sei eine Persische Sprache, erklärt sie mir. Sie selbst komme aus Hongkong, spreche die Sprache nicht. Aber eine Kollegin, aus Afghanistan, die spreche Dari. „Kommt die heute auch schwimmen?“ frage ich ganz aufgeregt. Sie lacht wieder. „Nein, nein, die lebt in London“. Weil ich mehr wissen möchte, reihe ich mich mit ihnen in die Warteschlange ein. Wie ich erfahre, war ihre Kommilitonin nur für einen Erasmus-Aufenthalt in Wien. Alle drei sind Musikerinnen. Violine, Cello, Fagott. Sie diskutieren vor mir über Klischees, die jedes Musikinstrument mit sich bringen würde. Sie necken sich gegenseitig. Die Unterhaltung ist sehr amüsant. Die beiden passieren das Drehkreuz. Ich suche meine Zutrittskarte, finde sie nicht. Fuck, falscher Rucksack. Ich texte meiner Freundin „sorry, I’m late. muss noch mal nach hause. heute zu sehr abgelenkt...".